Die rfu-Nachhaltigkeits-Modelle
Ein Analyse- und Bewertungsmodell für Nachhaltigkeit soll möglichst genau die ökologische und soziale Qualität eines Analyseobjekts erfassen und messbar machen. Umfassende (positive und negative) Kriterien, eingebettet in ein Nachhaltigkeits-Grundkonzept, operationalisieren die komplexe natur- und sozialwissenschaftliche Materie und ermöglichen eine Beurteilung, die fundiert und nachvollziehbar ist und nutzbringend (d.h. mit positiven Performance- bzw. Risikoeffekten) in die Anlage- oder Managemententscheidungen eingehen kann.
Die rfu hat für die jeweiligen Emittentenkategorien spezifische Verfahren entwickelt:
- für Unternehmen (bzw. deren Aktien, Anleihen und sonstigen Wertpapiere)
- für Länder (als Emittenten von Anleihen)
- für Rohstoffe (in die über derivative Anlageinstrumente investiert werden kann).
rfu Ratingmethodik für Unternehmen
Das rfu-Nachhaltigkeitsmodell für Unternehmen hat seinen Ursprung in den 1990er-Jahren. Laufende Optimierung von Methodik, Kriterien und Analyseprozess durch Inputs aus wissenschaftlichen Forschungsprojekten sowie zigtausendfacher Anwendung haben eines der ausgereiftesten Werkzeuge zur externen Bewertung unternehmerischer Nachhaltigkeit hervorgebracht. Aufgrund seiner Flexibilität kann es sowohl für große börsenotierte Gesellschaften eingesetzt werden, als auch für mittlere und kleiner Unternehmen und Special Purpose Vehicles (z.B. Green Bonds).
Das Verfahren besteht aus zwei Kriterienebenen: Ausschlusskriterien sowie (positiven) Stakeholder- und Produktkriterien.
Ausschlusskriterien
Ausschlusskriterien beinhalten Aktivitäten, Technologien und Praktiken, die mit den Prinzipen der Nachhaltigkeit unvereinbar sind. Standardmäßig werden sechs Gruppen von Ausschlusskriterien angewendet, die auch kundenspezifisch adaptiert werden können:
- Rüstung
- Nuklearenergie
- Fossile Energie
- Suchtmittel
- Glücksspiel
- Gentechnologie
- Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen
- Schwere Umweltschädigung
- Unethische Geschäftspraktiken
- Sonstige
Aber auch spezifische Kriterien und Definitionen von Kunden oder externen Standards und Labels können umgesetzt werden.
Positive Stakeholder- & Produktkriterien
Die Stakeholder- und Produktkriterien basieren auf dem Anspruchsgruppen-Modell, ergänzt um eine Wertschöpfungskettenanalyse der Produkte bzw. Dienstleistungen. Die Kriterien sind in eine Matrix mit vier Management-Ebenen und sechs Stakeholdergruppen eingeordnet:
- Grundsätze & Strategien
- Managementsysteme
- Programme, Aktivitäten & Ergebnisse
- Produkte & Dienstleistungen
- Mitarbeiter
- Gesellschaft
- Kunden
- Marktpartner
- Investoren
- Umwelt
Jeder Schnittpunkt der Matrix bildet ein Bewertungsfeld, dem Kriterien zugeordnet sind. Insgesamt enthält das rfu Nachhaltigkeitsmodell rund 100 einzelne Kriterien, welche durch ca. 400 quantitative und qualitative Indikatoren operationalisiert sind.
Die Daten hierfür stammen sowohl aus Publikationen der Unternehmen selbst (z.B. Nachhaltigkeits- und Rechenschaftsberichte) als auch aus Sekundärquellen wie z.B. Medien oder NGOs. Zum Füllen von wichtigen Datenlücken werden auch direkte Fragen an die Unternehmen gerichtet.
Gewichtung, Aggregation & Rating
Die Gewichtung der einzelnen Bewertungsfelder orientiert sich an der Relevanz für das jeweilige Unternehmen (z.B. aufgrund Branchenzugehörigkeit, regionaler Struktur, Position in der Wertschöpfungskette, etc.).
Die Ausprägungen der Kriterien werden über mehrere Ebenen zu einem Gesamtrating auf einer Skala von C- bis A+ aggregiert bzw. – im Fall einer eingeschränkten Datenlage – zu einem indikativen Rating von a bis c.
rfu Ratingmethodik für Länder
Die ökologische und soziale Beurteilung von Staaten war lange Zeit ein Stiefkind der kapitalmarktorientierten Nachhaltigkeitsanalyse. Mit dem Ziel eine wissenschaftlich fundierte und gleichzeitig praktikable und aussagekräftige Methodik zur Verfügung zu haben, hat die rfu 2015 hierfür ein Ratingverfahren entwickelt, mit dem mittlerweile nahezu alle Staaten der Welt abgedeckt werden.
Das Verfahren besteht aus zwei Kriterienebenen: Ausschluss- sowie Positivkriterien.
Ausschlusskriterien
Ausschlusskriterien beinhalten staatliche Regeln und Praktiken, die mit den Prinzipen der Nachhaltigkeit unvereinbar sind. Die Standardkriterien der rfu sind folgende:
- Atomwaffen und sonstige Massenvernichtungswaffen
- offensive Militärpolitik oder Kriegsführung
- Schwerwiegende Mängel bei Demokratie, Freiheit und Menschenrechten
- schwere Korruption
- mangelhafte Umweltpolitik hinsichtlich Klimaschutz und Biodiversität
- expansive Nuklearenergiepolitik
Aber auch spezifische Kriterien und Definitionen von Kunden oder externen Standards und Labels können umgesetzt werden.
Positivkriterien
Das Verfahren basiert auf dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit: Soziales, Umwelt, Ökonomie. Zur Ableitung konkreter Kriterien wurden anerkannte wissenschaftliche Konzepte ausgewählt. Für die Säulen Soziales und Ökonomie sind dies die Bedürfnistheorie von Manfred Max-Neef und der systemtheoretische Ansatz von Hartmut Bossel. Die ökologische Dimension orientiert sich am Konzept der Planetary Boundaries des Stockholm Resilience Center. Daraus abgeleitet sind über 100 konkrete Kriterien und Indikatoren.
Die verwendeten Rohdaten stammen überwiegend von anerkannten internationalen Organisationen (wie z.B. UNO, FAO, WHO, Weltbank, OECD) oder NGOs und aus wissenschaftlichen Publikationen.
Gewichtung, Aggregation & Rating
Die Ausprägungen der Kriterien werden über mehrere Ebenen zu einem Gesamtrating auf einer Skala von C- bis A+ aggregiert bzw. – im Fall einer eingeschränkten Datenlage – zu einem indikativen Rating von a bis c.
rfu Ratingmethodik für Rohstoffe
Für Investoren mit Nachhaltigkeitsausrichtung existierte bisher kein Angebot zur ökologischen und sozialen Beurteilung von Rohstoffen. Die rfu hat deshalb 2018/2019 das rfu-Rohstoffmodell entwickelt. Dieses ist das weltweit erste Verfahren, mit dem systematisch und auf wissenschaftlicher Basis Nachhaltigkeitsratings von rund 30 wichtigen Commodities der Kategorien Metalle, Energie und Landwirtschaft für die Investmentindustrie erstellt werden.
Modellstruktur und Kriterien
Die Modellstruktur folgt zum einen der Differenzierung in gesellschaftliche und ökologische Aspekte und zum anderen dem Lebenszyklus eines Rohstoffes, von der Gewinnung und Verarbeitung bis zur Nutzung. Diese umfassende Perspektive ist deshalb wichtig, da viele Rohstoffe zwar einen negativen Impact in der Herstellung verursachen (z.B. Bergbau, Ölförderung, industrielle Landwirtschaft), der Nutzungsmix hingegen viel differenzierter zu beurteilen ist (z.B. Anwendung von Metallen in der Solarindustrie oder von Erdöl für Hochleistungskunststoffe). Und der Aspekt der Rezyklierbarkeit schließt letztlich den Kreis.
Die verwendeten Rohdaten stammen überwiegend von anerkannten internationalen Organisationen (wie z.B. FAO, WHO, OECD), Fachverbänden oder NGOs sowie aus wissenschaftlichen Publikationen und Medien.
Das Rohstoffrating hat zahlreiche Parallelen und Schnittstellen zu den rfu-Verfahren für Unternehmen und für Länder, zumal Rohstoffe von Unternehmen bereitgestellt werden und den Rahmenbedingungen jener Staaten unterliegen, in denen sie gewonnen bzw. genutzt werden. Die Kriterien und Gewichtungen im Rohstoffmodell sind somit eng an jene der korrespondierenden Unternehmensbranchen angelehnt (z.B. Metallindustrie und metallische Rohstoffe, Energiebranche und Erdöl, Lebensmittelindustrie und Agrarrohstoffe).
Gewichtung, Aggregation & Rating
Die Gewichtungen sind jenen der betreffenden Branchen aus dem Unternehmensmodell entnommen (z.B. Energy, Metals & Mining, Food & Beverages).
Die Ausprägungen der Kriterien werden zu einem Gesamtrating auf einer Skala von C- bis A+ aggregiert. Aufgrund der methodischen Konsistenz kann das Rating eines Rohstoffes (z.B. von Gold) mit jenem eines Vertreters dieser Branche (Goldbergbau) verglichen werden und es können Schlüsse auf den (positiven oder negativen) Beitrag eines Unternehmens gezogen werden.